Jahresgaben 2022
Cory Arcangel (*1978 Buffalo, New York, lebt in Stavanger, Norwegen) ist eine zentrale Figur innerhalb einer Generation von Künstler:innen, die auf technologische
Entwicklungen in einer zunehmend informationsgesättigten globalisierten Kultur reagieren. Arcangels postkonzeptionelle Praxis setzt sich mit Photoshop-Farbverläufen, Modifikationen von Videospielen
und YouTube-Tutorials auseinander, um Werke zu produzieren, die sich mit der
unauflöslichen Verbindung von digitaler
Technologie und zeitgenössischer Popkultur beschäftigen. Ein Teil von Arcangels Interesse an Trends ist ihr schnelles
Altern, das strukturell in ihr Material – ihre
Programmierung, ihre Codes und in ihre Hardware – implementiert ist. Angelehnt an seine Ausstellung Flying Foxes im Kunstverein in Hamburg hat Arcangel eine wesentlich kleiner dimensionierte Version seiner Wandarbeit aus Aluminium vorge-
schlagen, deren vektorisierte Streifen auf
iPhone-Fotos von Adidas Trainingsanzügen
zurückgehen. Die im Büro des Kunstver-
eins mit dem dortigen Drucker auf trans-
parente Folie im DIN A4 Format gedruckte
Edition steht für Arcangels Verwendung
alltagsüblicher Materialien von Zip-Lock
Beutel bis zu Nintendo-Kassetten. Als
reflektierende Oberflächen verweisen
Arcangels einfache Plastikfolien auf die
Omnipräsenz des Bildschirms, unseren
primären Betrachtungsmodus.

Filip Berg
Dominatrix Table (2022)
90 x 70 x 35 cm
Latex, Wildleder, Holz, Polyurethan
Auflage: 69 (8 Farboptionen: rot, schwarz,
weiß, rosa, gold, silber, blau, grün)
€ 4.500
Filip Berg (*1992 Kopenhagen, lebt in Berlin) ist Künstler, Designer und Herausgeber des Viscose Journal, das sich selbst als das „weltweit aufregendste Magazin für Modekritik“ beschreibt. In seinen Arbeiten unterläuft Berg auf spielerische Weise die Vorstellung von gutem Geschmack, der nach wie vor die vorherrschenden Trends in Kunst und Design prägt. Mit seiner Arbeit DOMINATRIX spielt Berg beispielsweise auf die Mode des ornamentalen, pfotenartigen Tischbeins an, ein Phänomen, das im 17. Jahrhundert in Europa populär wurde, und verwandelt es in ein hochhackiges Latexstiefel-Bein, das an die Insignien einer Domina erinnert. Während Tatzenfüße ursprünglich aufgrund ihrer eleganten Krümmung geschätzt wurden, konnte Möbeln dadurch auch die symbolischen Eigenschaften bestimmter Tiere wie etwa des Löwen – Majestät, Stärke, Mut, Gerechtigkeit – zugewiesen werden. Diese Symbolik findet sich hier spielerisch auf die High-Heel-Stiefel übertragen – ein mit Weiblichkeit assoziiertes Objekt, dem Macht zugeschrieben wird, das die Konnotationen der Drag- und Queer-Kultur enthält und das für die Fetischisierung des Fußes steht. Die Funktion des Tisches wird so mit einer Symbolik versehen, die seine einfache Zweckmäßigkeit widerlegt.

Dora Budor
Kollektorgang (x), 2021
200 x 101 x 18 cm
Latex, geschredderte Dokumente, Wasser,
Zement, Holz, Metallteile
Unikat
Preis auf Anfrage
Die als Architektin ausgebildete Künstlerin
Dora Budor (*1984 Zagreb, lebt in
New York) betrachtet Gebäude und Institutionen als tektonische, infrastrukturelle
und geschlechtsspezifische Systeme. Im
Gegensatz zu einer ästhetisch motivierten
Architektur verschreibt sie sich einer
Politik der selektiven Demontage. Für ihre
Ausstellung Continent im Kunsthaus Bregenz (2022) löste Budor eine Irritation in
dem ikonischen, vom Schweizer Architekten Peter Zumthor entworfenen Gebäude
aus. Durch eine Reihe von Interventionen
testete sie dessen physischen Baukörper,
was die vom Architekten verborgenen
funktionalen Teile des Gebäudes in den
Vordergrund rückten.
Einen Meter von der nordöstlichen Fassade des Kunsthaus Bregenz entfernt führt ein Schacht zu einem unterirdischen Kanal, der das Fundament des gesamten Gebäudes umschließt. Seine sogenannten Schlitzwände ragen senkrecht ins Erdreich und spiegeln die Höhe der oberirdischen Konstruktion. Der Kanal soll den Einsturz der umliegenden Gebäude verhindern und das Versickern von Schmelz- und Grundwasser, das vom nahe gelegenen Berg Pfänder sowie aus dem Bodensee kommt, kontrollieren.
Für ihre Ausstellung in Bregenz fertigte Budor Latexabgüsse dieser unterirdischen Schlitzwände an und präsentierte sie als Wände, die mit geschreddertem Papier aus der Verwaltung des Kunsthauses verstärkt wurden. Mit Hilfe von Konservierungslatex, einem Material, das zur Reinigung von Denkmälern verwendet wird, trug Budor die obere Schicht der unterirdischen Fläche ab, entfernte die jahrelangen Ablagerungen und stellte sie in der musealen Umgebung der Ausstellungsräume von Zumthor auf. Einen Teil dieser umfangreichen Installation bietet Budor als Unikat an. Für dieses hat sie ein Wandsegment im Sinne einer funktionalen Wiederverwendung auf einem Plattenwagen neu positioniert, was die immanente Konstruktion als Bestandteil von Architektur hervorhebt.

GRAU
Salt Sapiens, 2022
18 x 13 cm
Sonderedition der Salt & Pepper Lampe von
GRAU, 5W LED, dimmbar
Auflage: 20+5AP
€800
GRAU ist ein Kooperationsprojekt, das von den Künstlern Timon & Melchior Grau (*1990, 1991 leben und arbeiten in Hamburg) geleitet wird und an der Schnittstelle zwischen Kunst und Design arbeitet. Sie stellen Lichtinstallationen und Leuchtprodukte her, welche die Betrachtenden in Beziehung zu ihrer Umgebung setzen. Oder, wie sie es formulieren, „die das aktivieren, was uns menschlich macht“. Eine von GRAUs primären Referenzen ist die Kontrolle des Feuers durch den Menschen, das nicht nur als Quelle des Lichts, sondern auch als Ausgangs- und Sammelpunkt des Glaubens, der erzählten Geschichten und Gemeinschaftlichkeit von Kulturen auf der ganzen Welt eint. Dieses Thema verbinden sie mit den frühesten praktischen „Gestaltungen“, der Technik des Feuermachens und der Höhlenmalerei von menschlicher Hand. Mit ihrer Sonderedition übersetzen GRAU solche Genealogien in einen zeitgenössischen Produktionsprozess, indem die bei der Pulverbeschichtung ihrer Salt & Pepper Lampe entstehenden Handabdrücke sichtbar gemacht werden. Auf diese Weise führt eine menschliche Spur zu der Lampe, die ihrerseits durch Berührung gesteuert wird.

Matthias Noggler
The Art of Peer Pressure, 2022
45 x 45 cm
Gouache auf Papier, aufgezogen auf Holz
Unikat
Preis auf Anfrage
Matthias Nogglers (*1990 Innsbruck, lebt und arbeitet in Berlin und Wien) Malerei reflektiert die kulturgeschichtliche Funktion und den ideologischen symbolischen Gehalt des gemalten Bildes durch Rekurse auf malerische Stile, Techniken und Themen. Diese Bezüge reichen von der Ästhetik der Volkskunst über italienische Renaissance-Kompositionen von Giovanni Bellini (wie in dieser Edition) bis zu zeit- genössischen Bildmedien, wie sie sich in Ego-Shooter-Videospielen exemplifizieren. Durch die Inszenierung von Beziehungen, Verbindungen zwischen scheinbar disparaten Quellen gelingt es Nogglers Arbeiten, Bezüge auf eine Art und Weise darzustellen, die zeigt, wie Seh- und Wahrnehungsweisen sowohl miteinander verwandt, als auch im Widerspruch zueinander stehen können.
„Diese Arbeit bezieht sich auf Giovanni Bellinis Gemälde Pietà (1465–1470) und sein Figurenensemble. Ich habe die Szene jedoch in eine Bar versetzt, was nur andeutungsweise durch den Wein auf dem Tisch und die halb verdeckte Rückenlehne eines Stuhls lesbar ist. Ansonsten dominiert ein geometrisch strukturierter Farbraum den Hintergrund und verleiht der Szene eine unterschwellige psychedelische Atmosphäre. Der Malstil ist zum Teil realistisch, detailliert und schattiert, dann wieder handelt es sich um eine schnell ausgeführte opake Farbfeldmalerei mit Tendenz zur Flächigkeit. Die dargestellte Szene zeigt neben sanften Gesten der Berührung ein leicht angespanntes Gespräch zwischen zwei eklektisch gekleideten Figuren spät am Abend, während im Hintergrund eine weitere Figur sie zum Aufbruch drängt, vielleicht in Richtung der nächsten, noch nicht geschlossenen Bar. Die spezifische Rhetorik von Bellinis Andachtsbild (einer Untergattung des Anbetungsbildes, das zur Betrachtung während des Betens gedacht ist) hat mir dabei geholfen, die alltägliche Szene als ironische Monumentalisierung des Ephemeren zu reinszenieren. Wie in vielen religiösen Gemälden des Quattrocento gibt es auch hier einen sexuellen Subtext zum offiziellen Inhalt, während das die Figuren rahmende Interieur eine atmosphärische Erweiterung jener Konflikte und Interaktionen darstellt, die sich zwischen ihnen abspielen.“
Die Malerei von Vera Palme (*1983 lebt und arbeitet in Frankfurt am Main) kreist um eine Reihe von Materialien und formalen Spannungen, die zwischen Inhalt und immanenter Entleerung der malerischen Oberfläche changieren. Palmes Materialien sind in der akademischen Tradition der europäischen Ölmalerei verwurzelt. Darüber verhandelt sie die Tragweite der Malerei in ihrer kulturellen Spezifität als Medium, das als Form zuweilen überbewertet scheint und sich sogar über seinen Anachronismus definiert: ihre ursprüngliche Funktion wurde längst von der Fotografie übernommen, später war sie Schauplatz modernistischer Reinigung und Idolisierung. Palmes Arbeit setzt hier an, jedoch nicht im Sinne einer Verehrung, sondern mit einer zeitgenössischen Klugheit, die das Gemälde zwischen anderen Objekten und den mit ihnen in Beziehung stehenden Körpern verortet. Als Jahresgabe bietet Palme Politics (2017) an, ein Bild, das in vielerlei Hinsicht die Turbulenzen der Malerei auf den Punkt bringt und ihrer Anfechtung Ausdruck verleiht.
Der Ausgangspunkt der Edition von Paul Spengemann (*1987 Henstedt-Ulzburg, lebt in Hamburg) lag in der Herausforderung, ein funktionales Möbelstück – einen Tisch – für die Hamburger Galerie 14a herzustellen. Wir haben diesen Auftrag erweitert und Spengemann gebeten, einen passenden Stuhl als Gegenstück zu produzieren. Beide Möbelstücke greifen Themen aus seiner künstlerischen Praxis auf, in der Tiere und Technologie eine oft humorvolle Verbindung eingehen. In seiner Arbeit Flea with horse shoes (2021) etwa hat er im Maßstab 1:1 mit dem 3D-Drucker produzierte Flöhe mit winzigen gemalten Hufeisen versehen. Wie seine Flöhe wurde auch der Stuhl am Computer entworfen, als Vektorzeichnung angelegt und an ein Standard-Industrieblech aus Aluminium angepasst. Indem er kaltes Aluminium in Tierfüße verwandelt, bringt Spengemann die europäische Tradition des 17. Jahrhunderts, Möbeldesign mit Tiertatzen zu entwickeln, in einen stilistischen Dialog mit einem fast schon sterilen Minimalismus.

Andrzej Steinbach
Ohne Titel (VHS-Kassette, John Carpenter’s They Live), 2022
30x20 cm
Fine Art Print,
Edition: 12+3AP
€680
Die Jahresgabe von Andrzej Steinbach (*1983 Czarnkow, lebt in Berlin) ist Teil seiner Serie Auto Erotik, die erstmals in seiner Ausstellung Modelle und Verfahren (2022) im Kunstverein in Hamburg zu sehen war. Diese Serie führt Steinbachs Interesse an der Dekonstruktion von Sprache, Material und den etablierten Codes der Fotografie fort. In diesem Fall ist die Makrofotografie das Sujet: Für die Aufnahme hat Steinbach das Cover einer VHS-Kassette von John Carpenters Film They Live von 1988, in das ein großes Loch gebohrt wurde, aus großer Nähe fotografiert. Das Loch ruft nicht nur fetischistische Konnotationen für Enthusiast:innen der Makrofotografie hervor, die Zerstörung des Bandes durch die Durchlöcherung spielt auch auf das Thema des Films an, in dem die Haupt- figur George Nada eine Brille findet, durch die er die Botschaften der Massenmedien durchschauen und ihre wahre Bedeutung erkennen kann. Auf Steinbachs Foto sehen wir zwar keine weitere solche Botschaft in ausbuchstabierter Form, dafür aber das Rohmaterial des Videobandes und der Plastikhülle, die in ein Spannungsverhältnis zu der fotografischen Covergestaltung treten.

Sung Tieu
Yellow & Blue Blue Ranunculus Repens/ Plaid, (Imagined), 2022
Yellow, White Daisies & Orange Rose/ Plaid, (Imagined), 2022
White Poppies, Blue Ranunculus Repens & Yellow Rose/ Plaid, (Imagined), 2022
Pink Cherry Blossoms & Blue Iris/ Plaid, (Imagined), 2022
Je 33,2 × 27,2 cm (gerahmt)
Stoff, Plastikblumen
4 Unikate
Je €3000
Sung Tieu (*1987 Hai Duong, lebt in Berlin) verwendet eine Reihe unterschiedlicher künstlerischer Medien, die von Installationen, Sound, Video über Skulpturen bis zu inszenierten Interventionen reichen. Über diese evoziert sie transnationale Geschichte und die Traditionen entmaterialisierter Kunst sowie jene erweiterten Strukturen, die an der Zuschreibung von Identität, Kultur und Bedeutung beteiligt sind. Tieus Praxis nimmt Bezug auf ihre eigene Erfahrung mit kulturellem Widerstreit und Vertreibung, zugleich stellt sie universelle Machtstrukturen in Frage, welche die Zirkulation von Informationen, Körpern und Menschen regeln. Für ihre Jahresgabe setzt Tieu ihre Serie gerahmter Blumenarrangements vor einem Hintergrund aus karierten Stoffen südostasiatischer Herkunft fort. Diese Werke rücken die Kunstfertigkeit der Plastikblumen ins Zentrum der Aufmerksamkeit und betonen, wie eine Generation asiatischer Migrant:innen, zu der auch ihre Mutter zählt, sie ebenso schätzt wie reale Blumen. Nicht nur sind diese Blumen aus Plastik, sie sind auch Teil eines botanischen Imaginären. Es handelt sich um Hybride, die bei näherer Betrachtung unheimlich erscheinen. Sie besitzen zum Beispiel Blüten, die größer sind als ihre Blätter, oder ihre Farben weichen von denen in der Natur ab. Als Kunstprodukte suggerieren sie einen ästhetischen Wert, der über ihre kulturelle Stellung hinausweist und ihren Status als Gegenstand von Schönheit stärkt.

Rirkrit Tiravanija
Untitled (table), 1997 / 2022
Produziert auf Bestellung
Sperrholz
Preis auf Anfrage
Untitled (chair), 1997 / 2022
88 x 38,5 x 38 cm
Sperrholz, Filz
€500
1997 tauchen diese Tische und Stühle erstmals als Teil von Rirkrit Tiravanijas (* 1961 Buenos Aires lebt und arbeitet in New York, Berlin und Chiang Mai) Intervention im Rahmen der von Stephan Schmidt-Wulffen kuratierten Veranstaltungsreihe Pool Raum im Kunstverein in Hamburg auf. Die Tische und Stühle waren Teil der funktionalen Szenografie für die Ausstellung und bilden einen zentralen Ort für die Besucher:innen zum Lesen von Büchern, Zeitschriften und Informationen über die Künstler:innen. Seitdem bildeten die Tische eine Konstante im Kunstverein und wurden für Vorstandssitzungen und Mittagessen des Teams verwendet, dienten als Ablage für die Umschläge mit Einladungskarten und waren mit Jahren der Ausstellungsplanung vertraut. Es gab sie, bevor wir Internet hatten oder auch nur einen Computer, und doch haben sie weder ihren Stil noch ihren Zweck verloren. Da sie ganz einfach sehr praktisch sind, machen wir sie jetzt in der Neuauflage für die Öffentlichkeit verfügbar.

Mathias Toubro
Pasta Lamps, 2022
Verschiedene Sorten Pasta, Heißkleber,
Epoxidharz, lufttrocknender Ton, Lampe
Auflage: 8
€ 470
Mathias Toubro (*1986 Kopenhagen) beschäftigt sich mit dem Ort der Bar oder des Restaurants als Schnittstelle jener sozialen Konstellation, die Künstler:innen und Kunst darstellen. Toubro präsentiert diese Settings sowohl in Arbeiten – etwa in seiner Serie von Restaurantporträts – als auch für Bühnen sozialer Situationen, z.B. mit seiner Pasta Lamp, die er seit 2018 auf Einladung für Dinner für Künstler:innen und Förder:innen produziert. Ausgehend von seiner früheren Arbeit in der Gastronomie lässt sich Toubro von deren programmatischen Überangebot, von Abfall und Verschwendung inspirieren. Aus einfachen Materialien, die er zur Hand hat, stellt Toubro Installationen und handgemachte Skulpturen her, die jene für die Gastronomie zentrale, zyklische Beziehung reflektieren. Früher arbeitete Toubro mit Mathias Dyhr zusammen und produzierte szenische Installationen. Seit 2020 betreibt er mit Sigurd Kjeldgaard den Ausstellungsraum Cucina in Kopenhagen. Von 2017 bis 2020 leitet er gemeinsam mit Sigurd Kjeldgaard und Milan Ther den vielbeachteten Ausstellungsraum Éclair in Berlin.

Raphaela Vogel
Bozner Bronze (Mary's Contraception), 2022
Bronzeguss
5 Variationen, jeweils Unikate
€2800
Die künstlerische Praxis von Raphaela Vogel (*1988 Nürnberg, lebt und arbeitet in Berlin) kombiniert verschiedene, oft einander widersprüchliche Medien und Genres auf virtuose Weise. Skulptur, Malerei, Video und Installation fusionieren in ihren Arbeiten und werden zu theatralischen, oft immersiven Installationen. Sie greift dabei auf eine Reihe von Materialien zurück, darunter vorgefundene Objekte, Theaterrequisiten, Tierhäute und technische Apparaturen, um imaginative Szenarien zu kreieren, die die Hybridität zeitgenössischer Vorstellungen des Selbst, des Tieres und der Maschine betonen. Diese Arbeiten, in deren Mittelpunkt oft Vogel selbst steht, können als feierliche Reflexion über den Ort der Subjektivität, über das Ich und die Position der Künstlerin betrachtet werden.
In Mary's Contraception verwendet Vogel eine Technik, die in den letzten Jahren für ihre Skulpturen zentral geworden ist. Die Künstlerin nimmt eine bereits existierende Skulptur, in diesem Fall einen Bozner Engelskerzenhalter, und überzieht sie mit weißem Epoxidharz, so dass eine Form entsteht, die das nun abwesende Original zu überdecken scheint. Die so entstandene Plastik, die sowohl an Milch, als auch an Sperma erinnert, hat in diesem Fall die Form für einen Bronzeguss vorgegeben, eine Idee, die Vogel hatte, nachdem sie „Bozner“ fälschlicherweise für ein Anagramm von „Bronze“ hielt.

Leyla Yenirce
Metal 1, 2022
Metal 2, 2022
Metal 3, 2022
Metal 4, 2022
Metal 5, 2022
UV-Print auf verspiegeltem Edelstahl
Je 100 x 35 cm
5 Variationen, jeweils Unikate
€1500
Die Jahresgabe von Leyla Yenirce (*1992 Qubîn, Kurdistan, lebt in Hamburg) greift auf ein Archiv von Filmen und Fotografien zurück, die überwiegend Kurdistan und die kurdischen Frauenschutzeinheiten (YPJ) zeigen. Sie wurden von der Künstlerin in sozialen Medien, bei Bildrecherchen und auf verschiedenen Websites gesammelt. Yenirces Prozess des Sammelns zeugt von der großen Verbreitung solcher Bilder, welche die Frauen der Schutzeinheit zeigen, und lässt zugleich auf Yenirces eigene, von Medien geprägte Beziehung zu ihrem Geburtsland schließen.
Es handelt sich um zirkulierende Bilder, deren sukzessiv entstandener Qualitätsverlust eine sichtbare Folge ihrer vielfachen Reproduktion und Verbreitung im Internet ist. Dieser Verlust an getreuer Wiedergabe charakterisiert sie als das, was Künstlerin und Medientheoretikerin Hito Steyerl „schwache Bilder“ nennt – Bilder, deren Qualität sich durch ihre allgemeine Verfügbarkeit verändert hat. Indem die Künstlerin sie erneut reproduziert, diesmal auf dem hochwertigen Material verspiegelter Edelstahlplatten, verleiht Yenirce solchen Bildern, die mit ziemlicher Sicherheit schneller verschwinden werden als ein Kunstwerk, eine Anmutung von Dauerhaftigkeit, während sie uns zugleich ein Spiegelbild vorhält.

Bruce & Norman Yonemoto
Made in Hollywood (Diptych)
1990 / 2022
18 x 24 cm und
60 x 40 cm
Fine Art Druck auf Hahnemühlepapier
Auflage: 15+3AP
€ 1.100
Die hochstilisierten, ironischen und „campen“ Filme von Bruce und Norman Yonemoto (*1949 San Jose, lebt in Los Angeles / *1946–2014, USA) dekonstruieren die Bildsprache der Werbung und die Rhetorik des Hollywoodkinos. Die Arbeiten der Yonemoto-Brüder greifen auf Genres wie das Melodram oder die Seifenoper zurück. Sie übertreiben und nivellieren zugleich narrative Strukturen, kulturelle Mythologien und gewisse Normen der Psychoanalyse. Bruce Yonemoto stellt für seine Jahresgabe ein Diptychon vor, das aus einem Standbild des Films Made in Hollywood und einem am Set entstandenen Foto besteht. Auf beiden Bildern ist die Hollywood-Schauspielerin Patricia Arquette zu sehen. Sie spielt Tammy, eine junge Frau aus der Kleinstadt, die in den Westen zieht, um ihren Traum zu leben und dabei ihre Unschuld verliert. Made in Hollywood zeigt, wie sehr Realität und Fantasie, Begehren und Identität über die mythischen Erzählungen von Fernsehen und Kino vermittelt werden. Die Yonemotos zitieren aus einem Katalog populärer Stile und Quellen, von der Fernsehwerbung über Wizard of Oz bis hin zur melodramatischen Lichtregie von Douglas Sirk. Sie entwickeln eine Pastiche narrativer Klischees und steigern sie zu einer Parabel auf die Bildindustrie Hollywoods. Auf diesen beiden Bildern, die den dramatischen Höhepunkt am Ende des Films zitieren, sehen wir den Blick Arquettes, der durch ihre eigene Selbstinszenierung in ihrem eigenen Spiegelbild gefangen ist.